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DIY – Destroy it yourself

3. Dezember 2015

Auf einer Investmentkonferenz in London hörte ich vom Vorstandschef des Fintechs Nutmeg vergangene Woche eine schöne Phrase. „DIY“, die Abkürzung für „Do it yourself“, sei in Zusammenhang mit Geldanlage für ihn einfach „Destroy it yourself“. Weil die meisten Privatanleger ihr Depot zugrunde richteten. Leider hat er damit einen guten Punkt erwischt, den auch Verhaltensökonomen empirisch belegen können. Daher lohnt es sich, zumindest auch mal die Schattenseiten des „Do it yourself“-Anlegens zu beleuchten.

Keine Missverständnisse: Mit den Beiträgen hier möchte ich ja auch ein kleines bisschen zur Verbesserung der Anlagekultur beitragen. Und nie war es so einfach und günstig wie heute, eine vernünftige Geldanlage zu grotesk günstigen Gebühren zu betreiben.

Dennoch erstaunt mich manchmal die Selbstverständlichkeit, mit der viele meiner Kollegen argumentieren, es sei doch überhaupt kein Problem und ein leichtes, die Geldanlage – etwa mit Aktien-ETFs – selbst in die Hand zu nehmen.

Anlageberater und Bankvorstände regen sich auch fürchterlich auf über die vielen Artikel auch in der Publikumspresse, man möge doch einfach einen Dax-ETF kaufen und liegen lassen. Nun, klar, der selbstinformierte Anleger bringt ihnen kaum Geld ein, da liegt es in der Natur der Sache, dass man diese Art der Geldanlage in ein schlechtes Licht rücken will.

Dummerweise haben aber viele Anlageberater uns schreibenden und bloggenden Besserwissern eines meist weit voraus: Erfahrung aus Dutzenden Beratungsgesprächen und ihrem Ausgang, zum Beispiel in Crashs. Und dummerweise haben Verhaltensökonomen in Studien auch heraus gefunden, dass die so genannten „selbstinformierten Anleger“ tatsächlich eine fürchterliche Underperformance erzielen, namentlich vier bis sechs Prozentpunkte pro Jahr gegenüber Aktienindizes, wenn sie etwa in Aktien anlegen (richtig gelesen: pro Jahr). Kurz: Zwischen den „Investment Returns“ (über die wir alle schreiben und die aus den Charts und Fondsdaten sehen) und den „Investor Returns“ (von denen man privat oft hört) klaffen meist riesige Lücken.

Dafür gibt es einen wichtigen Grund: Die Risikoeinschätzung zum Zeitpunkt, zu dem man eine Geldanlage tätigt und dann sechs Monate oder drei Jahre später, wenn es an den Märkten rappelt, unterscheidet sich in aller Regel deutlich. Sehr viele verlieren schlicht die Nerven, schmeißen Aktien, sobald an den Kapitalmärkten große Unruhe herrscht oder glauben, das Risiko minimieren zu müssen, indem man mal eben verkauft, weil man Märkte für überhitzt hält und anschließend nie wieder zurückkehrt in den Markt. Das „mir macht es nichts aus, wenn das Depot mal 30% Minus aufweist“ in der Theorie und in der Praxis eines veritablen Crahs, wenn die Medien voller übler Nachrichten sind und einem die Phantasie freien Lauf lässt, sind zwei verschiedene paar Schuhe. Unter dem Strich sind Anleger dann eben nicht geduldig, sondern neigen dazu, fürchterlich prozyklisch zu agieren.

Gut dokumentiert ist das auch, wenn man die Performance eines Investmentfonds dahingehend „zerlegt“, welcher Teil des Vermögens denn tatsächlich bei einer Outperformance dabei war und welcher bei einer Underperformance. Die Gelder schießen schließlich bei guten Leistungen der Vergangenheit nur so rein. Der französische Fondsmanager Edouard Carmignac etwa gelang mit seinem Mischfonds Patromoine, die Finanzkrise 2008 verlustfrei zu umschiffen. Da verwaltete der Fonds vier Mrd. Euro. Dann kletterte das Volumen auf knapp 30 Mrd. Euro, aber seit sechs Jahren läuft bei dem Fonds nichts mehr zusammen, der Fonds wird, ohne ein Performancewunder, 2015 das sechste Jahr in Folge seinen Index nicht schlagen. Vier Milliarden Euro Vermögen maximal haben also „outperformed“. Aber knapp 30 Milliarden später „underperformed“, und das richtig. Was natürlich aus der Performance des Fonds an sich nicht hervorgeht, dessen Zehnjahresbilanz immer noch sehr gut ist. (Natürlich wurde irgendwo an anderer Stelle in diesem Nullsummenspiel der Märkte eine Outperformance erzielt, aber darum geht es ja jetzt nicht.)

Kurz: Viele werden zu Anlegern, die sie einfach nicht sein wollten, als sie mit der Geldanlage losgelegt haben. Die eingehende Prüfung, wie groß die Kluft zwischen der selbstdiagnostizierten Risikotoleranz beim Kauf eines Wertpapiers/Fonds/ETFs in der Theorie und dann anschließend in der Praxis ist, ist die Königsdisziplin einer Selbstanalyse – und auch der Beratung. Das gilt natürlich auch für das Halten von aktiven Fonds, die oft nach langjährigen Phasen der Underperformance „geschmissen“ werden, nachdem man sie zuvor eigentlich wegen der vorangegangenen Outperformance gekauft hat. (Lesen Sie zB hier über das Phänomen „Kiss of death“, nachdem eine Topnote einer Fondsratingsagentur nichts gutes für die künftige performance heißt http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=455240)

Mancher gute Vermögensverwalter hat mir schon erklärt, in kritischen Marktphasen verbrächten sie Stunden, Tage, Wochen ausschließlich damit, zusammen mit ihren Kunden zu leiden und die Nerven zu massieren, bloß nicht auszusteigen. Das sei ihre „eigentliche“ Aufgabe, die Kunden auch die höchste Rendite brächte. Mit einem ETF hält einem niemand die Hand. Man bezahlt ja auch keinen dafür.

Ich finde, das ist ein Punkt, über den man zumindest mal nachdenken sollte. Die Studien dazu und die Problemfelder hat mit im Zuge eines ausführlichen Interviews der Verhaltensökonom Prof. Thorsten Hens im September mal vorgestellt, das ich, auch wenn es natürlich Werbung in eigener Sache ist, (nochmals) zum Nachlesen empfehle. Ich hatte das Thema ja schon einmal verbloggt Hier: http://www.capital.de/investment/strategien-gegen-anleger-panik.html

Bitte nicht falsch verstehen: Ich rate nicht von einer Buy&Hold-Strategie ab mit ETFs! Ich bin nur der Meinung, dass man wirklich sehr genau darüber nachdenken sollte, 1) ob man wirklich die Nerven behält, wenn’s kracht und 2) ob diejenigen, denen man zu ETFs kaufen&halten rät, auch vermutlich die Nerven behalten. Möglicherweise kann ein disziplinierter Sparplan statt einer Einmalanlage oder ein „Strecken“ des Kaufs in Jahrestranchen Nerven schonen, obwohl es finanzmathematischer Quatsch ist (die komplette Einmalanlage ohne Nachdenken ist immer überlegen). Aber eben auch hilft, die Nerven zu behalten.

 

 

 

 

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