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Wichtig ist, was unten rauskommt

23. Februar 2017

Und das ist im Durchschnitt recht wenig, wenn Deutsche zu Aktien und Fonds greifen. Weil sie die Renditen einfach nicht erzielen, von denen Vorstandsvorsitzende, Fondsanbieter, Finanzjournalisten und Blogger schreiben . 

 

 

[neu: Zahlen des Fondsverbands BVI am 2.3. ergänzt]

Kürzlich unterhielt ich mich mit dem Vorstand eines Fondsanbieters, dessen populärster Fonds in den letzten 15 Jahren über zehn Prozent pro Jahr für Anleger erwirtschaftet hat. Es ging um zyklisches Anlageverhalten, Nervenstärke, Buy & Hold und die Frage, ob Mittelzuflüsse ein guter Timing-Indikator seien. (Mark Mobius, der Schwellenländer-Fondsmanager, erwähnte mir gegenüber einmal, es gäbe ein sehr verlässliches Kaufsignal für seinen Fonds: kaufen, wenn die Abflüsse enorm sind. Das maximiere die Rendite.). Jedenfalls erzählte mir jener Vorstand dann, man habe mal nachgerechnet, was denn Anleger mit dem Fonds verdient hätten, der dauerhaft über zehn Prozent pro Jahr erwirtschaftet. Es waren: Null Prozent. Nichts. Nada. Zero. Nil.

Kann nicht sein, glauben Sie?

Doch, kann sein. Analysten haben auch einmal nachgerechnet, dass der Fidelity Magellan Fund von Peter Lynch zwar zwischen 1977 und 1990 29 Prozent pro Jahr erwirtschaftet hat, der durchschnittliche Investor es aber trotzdem geschafft hat, mit dem Fonds einen Verlust einzufahren.

Hier ist der Grund: Es ist die hier schon mehrfach thematisierte „Performancelücke“. Die Investoren kaufen und halten Fonds nicht über viele Jahre, sondern neigen dazu, Fonds zu kaufen, wenn die allgemeine Marktstimmung gut ist und ein (der) Fonds in der vorangegangenen Periode stark abgeschnitten hat. Sie verkaufen dann aber häufig im Rahmen größerer Korrekturen. Und so kann es sein (und ist es meistens so), dass ein Fonds langfristig sehr gut abschneidet, Anleger aber nur einen Bruchteil der möglichen Performance „mitnehmen“ mit ihrem schlechten Timing.

Beispiel: Eine Gesellschaft legt einen Fonds auf und stattet ihn mit 10 Mio. Euro Kapital aus, der Rücknahmepreis betrage 10 Euro.

Der Fonds legt 50 Prozent zu, das Vermögen beträgt dann 15 Millionen Euro. Rücknahmepreis: 15 Euro.

Herein kommt plötzlich das Geld, weil der Vertrieb mit der Performance von 50 Prozent lockt und die Stimmung gut ist. Investoren zahlen 85 Millionen Euro ein. Das Vermögen betrage dann also 100 Mio. Euro. Der Rücknahmepreis beträgt natürlich immer noch 15 Euro.

Nun verliert der Fonds wieder 25 Prozent an Wert. Der Rücknahmepreis beträgt dann also 11,25 Euro. Die Investoren sind entsetzt, begrenzen Verluste, werfen den Fonds aus den Depots, liquidieren zum Rücknahmepreis.

In der Fondsbilanz steht dann ein Plus von 12,5 Prozent ab Beginn des Betrachtungszeitraums.

Die (externen) Investoren haben für ihre 85 Millionen Euro Fondsanteile zu je 15 Euro erworben, mithin also (gerundet) 5,7 Millionen Anteile erhalten. Diese haben sie für 11,25 Euro liquidiert und somit 63,8 Millionen Euro erhalten. Macht also gut 21 Millionen Euro Verlust mit einem Fonds, der 12,5 Prozent zugelegt hat, weil sie zum falschen Zeitpunkt gekauft haben. Das Geld ist natürlich nicht weg, es hat nur jemand anderes.

Klingt konstruiert, ist es aber nicht. Verhaltensökonomen wie Prof. Thorsten Hens haben ausgewertet, dass die Lücke zwischen möglicher Rendite und erzielter Rendite zwischen 1,5 und 4 Prozent pro Jahr liegt über alle Anlageklassen hinweg.

Noch kritischere Studien haben ergeben, dass Anleger in den 30 Jahren zwischen 1984 und 2014 mit dem S&P 500 rund 11,1 Prozent pro Jahr hätten verdienen können, tatsächlich mit Aktienfonds aber nur 3,7 Prozent erzielt haben – aus genau den oben genannten Gründen: kaufen in Euphoriephasen, verkaufen in Panikphasen, Gebühren, Fehleinschätzungen, und und und. Sie können das hier nachlesen. 

Natürlich bekommen Anlegern in der Werbung, im Beratungsgespräch, in Blogs ständig vorgerechnet, was möglich gewesen wäre, wenn sie sich idealtypisch verhalten hätten. Das ist allerdings relativ weit entfernt von der Realität, was Leute tatsächlich verdient haben.

Die Fondsbranche wird natürlich auch nicht müde, Anlegern vorzurechnen, was drin wäre, wenn sie idealtypisch kaufen, halten, nie verkaufen, zum Beispiel hier. Fünf Prozent pro Jahr selbst über die letzten 15 Jahre mit deutschen Aktienfonds, sieben Prozent über 20 Jahre… Sie kennen diese beeindruckenden Zahlen.

Bei der Präsentation der Jahreszahlen der Fondsbranche habe ich mir daher mal den Spaß erlaubt zu saldieren, wie sich das Vermögen der Publikumsfonds in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Es stieg um rund 230 Mrd. Euro auf zuletzt 915 Mrd. Euro. Allerdings flossen den Gesellschaften netto – also die Zu- und Abflüsse saldiert – auch rund 190 Mrd. Euro zu.

Das heißt: näherungsweise haben Anleger mit Fonds in den letzten zehn Jahren rund 40 Mrd. Euro an Gewinnen erzielt. Denn das ist der Zuwachs an Vermögen, der sich nicht alleine durch Zuflüsse erklären lässt. Bezogen auf das anfängliche Vermögen des Betrachtungszeitraums von 683 Mrd. Euro macht das ungefähr 0,6 Prozent pro Jahr.

Nun ist das näherungsweise in diesem Zusammenhang sehr wichtig, da ich in dieser Betrachtung die unterjährigen Transaktionen nicht erfassen kann, der Startpunkt zufällig gewählt wurde und auch Ausschüttungen aus dem Fondsvermögen als Abflüsse gewertet werden. Auch wurden ja die Gelder nicht punktuell Ende 2006 angelegt.

[Ergänzung an dieser Stelle: Der BVI liest hier auch mit und hat mich zu diesem Thema noch mal kontaktiert. Er verweist unter anderem darauf, dass „in der Gesamtbetrachtung der Publikumsfonds auch außergewöhnliche Veränderungen im Teilnehmerkreis der Statistik eine Rolle spielen“. Der Einwand ist insofern wichtig & berechtigt, da ja Mitglieder in den Kreis der erfassten Publikumsfonds eintreten (und dann nicht den „Zuflüssen“ zugerechnet werden) oder ihn im Betrachtungszeitraum verlassen (und dann die Summe des Vermögens verändern, ohne zu den „Abflüssen“ zu zählen. 

Eigene Berechnungen des BVI ergeben demnach tatsächlich erwirtschaftete Renditen mit Aktienfonds von 3,2 Prozent per annum über die letzten zehn Jahre sowie tatsächlich erwirtschaftete Renditen von zwei bis drei Prozent per annum quer über alle Anlageklassen hinweg.]

Sie erklären aber auch nicht die Performancelücke zu den möglichen Zehnjahresrenditen von Aktienfonds Deutschland (4,8% p.a. nach Gebühren), Anleihenfonds Europa (3,7 bis 4,5% p.a.), Immobilienfonds (3,0% p.a.) seit Ende 2006.

Übrigens hat auch die Fondsratingagentur Morningstar 2014 einmal schön vorgerechnet, wie aus 0% Rendite im Schwellenländerindex über drei Jahre 3,5 Prozent Verluste pro Jahr wurden, die Anleger mit Schwellenländerfonds erzielt haben mit miesem Timing. Wir sprechen hier also nicht von konstruierten Einzelfällen.

Welche Schuld trägt die Branche selbst daran? Immerhin ist es der Anleger, der mit seinem zyklischen Verhalten selbst viel kaputt macht. Betrachtet man aber langjährige Absatzstatistiken, tragen die Fondsbranche und die Berater selbst mit dazu bei, dass Leute nicht „bei der Stange“ bleiben – weil ihnen fast ausschließlich neu aufgelegte „Trendprodukte“ verkauft werden statt bewährter, womöglich günstiger „Klassiker“. In Krisen fehlen dann Erfahrungswerte und Referenzen. Einst Schwellenländerfonds, dann Technologieaktienfonds – heute Mischfonds.

Ich fürchte auch, die Kluft zwischen möglicher Rendite, die Anleger überall hören und der tatsächlich erwirtschafteten Rendite ist – unabhängig vom Verschulden – ein wichtiger Grund dafür, dass der Fondsabsatz und Aktienbesitz in Deutschland „nicht aus der Hufe“ kommt. Dafür sind die praktischen Enttäuschungen zu groß, denn die disziplinierten Anleger sind eher rar. Und: das Problem wird sich künftig erheblich verschärfen.

Bleiben wir bei den noch optimistischen Schätzungen, dass Investoren die möglichen Renditen um 1,5 bis 4 Prozent pro Jahr unterschießen, war das in Zeiten von 4-5 Prozent Zinsen für Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit und 7-8 Prozent Rendite mit Aktien noch zu verschmerzen. Am Ende blieben dann eben doch noch ein ordentlicher Zugewinn übrig.

Heute liegt der risikolose Zins bei rund 0,3 Prozent für eine zehnjährige Bundesanleihe und deutet das nicht mehr günstige Bewertungsniveau darauf hin, dass man sich am Aktienmarkt global dauerhaft eher mit fünf  Prozent pro Jahr zufrieden geben muss. (Sie können die Gründe für die schrumpfenden Aktienrisikoprämien hier nachlesen, wenn Sie sich für Details interessieren).

An diesen 0,3 bis 5,0 Prozent nagen dann die Inflation, die Verwaltungsgebühren der Fonds – und natürlich die Performancelücke von eben jenen 1,5 bis 4,0 Prozent – und schwupps, sind Anleger nur noch mit viel Glück und vor allem Disziplin im „grünen Bereich“.

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2 Kommentare
  1. Hallo Christian,

    Besser hätte man es nicht erklären können. Ich möchte aber noch eine Anmerkung hinzufügen. Ein weiterer Grund, warum aktive Fonds hinter den Erwartungen bleiben und zu großem Teil nicht einmal die naheliegenden Benchmarks erreichen, liegt am so genannten Index Hugging.

    Die Fondsmanager sind sich dem Auf- und Ab von Investoren im Fond bei guten und schlechten Zeiten bewusst und haben Angst zu sehr hinter den Benchmarks hinterherzuhinken. Sie bilden die Benchmarks „zur Sicherheit“ nach, was nach Abzug ihrer Gebühren eine niedrigere Rendite als der Index mit sich bringt.

    Alles Gute,

    Ferhat
    http://weniger-schlecht-investieren.de

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