Es wird alles ganz schlimm werden!
Heute schon mal Angst gehabt? Nein? Das ist nicht gut für das Geschäft mit Versicherungen und Vorsorge. Daher versorgen Versicherer Presse und Öffentlichkeit unentwegt mit „Studien“, worüber sich die Deutschen so alles Sorgen machen. Und Sorgen machen sollten.
Meine Damen und Herren, die Lage ist, mit einem Wort: ernst.
Jeder zweite Millionär fühlt sich unterversichert.
Einer Umfrage zu Folge soll fast jeder zehnte Reisende im Urlaub krank werden.
Fast jeder zweite Deutsche bucht Urlaubsreisen ohne Reiserücktrittskostenversicherung
(…) Umfrage: Viele Urlauber riskieren damit, bei vorzeitigem Reiseabbruch viel Geld zu verlieren.
Umfrage: Inflation macht Rentnern die größten Sorgen
Umfrage: Jeder zweite junge Mensch befasst sich mit BU-Risiko
Kleine Auswahl aus fünf Minuten Googeln. Ich bin sicher, mit zwei Stunden Zeit könnte ich Ihnen 100 Links zu Umfragen im Auftrag von Versicherungskonzernen präsentieren, laut denen sich die Deutschen vor irgend etwas sorgen oder unbedingt Sorgen machen sollten.
Was Sie dazu wissen sollten, wenn Sie sich über Ihre eigenen Finanzen und Geldanlage Gedanken machen: die Umfrage ist einer der simpelsten PR-Tricks und stellt, ordentlich eingesetzt, für wenig Geld eine hohe Verbreitung sicher. Man gebe für ein paar Tausend Euro (einfache, geschlossene Fragen sind noch billiger) eine repräsentative Umfrage in Auftrag.
Fallen die Ergebnisse nicht wie gewünscht aus, bleibt sie in der Schublade. Ansonsten pustet man sie als Pressemitteilung raus. Idealerweise ruft man noch bei einem reichweitenstarken Medium an und bietet die Ergebnisse der „Studie“, wer sich worüber Sorgen macht oder besser Sorgen machen sollte, „exklusiv“ an.
Ich bin natürlich Teil dieses Zirkus und greife selbst auf Umfragen zurück, wenn es darum geht, Thesen in meinen Artikeln zu stützen. (Man könnte problemlos Dutzende „Umfragen“ zum Thema Altersvorsorge im Auftrag von Banken und Fondsgesellschaften auftreiben…). Verstehen Sie diesen Beitrag daher weder als Medienkritik noch als Versuch, Risiken bagatellisieren zu wollen.
Alleine: bewahren Sie im Umfragensumpf einen kühlen Kopf, um nicht zu versacken in all den Ängsten und Sorgen, wahren Sie sich nicht nur in Sachen politischen Meinungsumfragen, sondern auch bei Finanzthemen eine kritische Haltung gegenüber den inhaltlich teils widersprüchlichen „Umfragen“ und „Studien“, die sich die „Newsrooms“ der Unternehmen und Verbände so ausdenken. Es geht dabei selten um objektive Aufklärung und Information, sondern ganz banal darum, eigene Themen zu setzen und in das Bewusstsein der Leser und Kunden zu rücken.
(Und natürlich blogge ich auch das hier nicht ganz ohne Hintergedanken: meine Kollegin Britta Langenberg sichtet, gewichtet und analysiert bei Capital seit fast zwei Jahrzehnten Versicherungsthemen – Ihre Artikel und Analysen möchte ich Ihnen ausdrücklich ans Herz legen, wenn Sie den Überblick bewahren wollen!)