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Der ewige Kampf: Fonds oder Einzelaktien?

6. Juni 2017

Sie können sich gerne daran versuchen, mit Einzelaktien ansehnliche Renditen zu erzielen. Machen Sie sich allerdings klar, dass Sie dabei eine erheblich höhere Trefferquote als mit einem Fonds brauchen. Weil 80 Prozent der Aktien Müll sind.

 

Wie bloß vernünftig einsteigen in das Reich der Aktienanlage – mit ein paar Einzelaktien wie Apple, Google, Amazon, Daimler und Co. oder doch Fonds?

Auf diese Frage gibt es meiner Meinung nach keine „leichte“ Antwort. Zumindest keine so leichte, wie sie die Literatur zu diesem Thema nahelegt. Die wissenschaftlich saubere ist natürlich: man nimmt besser einen Fonds, idealerweise einen günstigen ETF auf einen Aktienindex wie Dax, MSCI World und Co. Denn der legt breit(er) gestreut an, wird laufend angepasst, gewichtet gut gelaufene Werte automatisch höher.

Meine „bürgerliche“ Meinung dazu ist allerdings, dass viele Investoren nicht eine nüchterne, optimale Anlage wollen. Sondern sich häufig auch mit ihrer Anlage identifizieren. Also etwa Aktien kaufen, deren Produkte sie kennen, von denen sie überzeugt sind, denen sie intuitiv zutrauen, künftig gut abzuschneiden.

Das heißt dann in der Ableitung auch, dass sie dazu neigen, an Aktien auch bei Kursverlusten festzuhalten, während sie mit Fonds (insbesondere ETFs) in Krisen rasch kurzen Prozess machen. Offenbar (das Forschungsgebiet ist noch jung) ist der Einsatz der auch von mir geschätzten ETFs in der Praxis nicht unbedingt förderlich, sondern schädlich. (Lesen Sie dazu ein Interview hier und eine Studie hier bei Interesse.)

Und schon sind wir im Kern des Problems: Viele Fondsanleger ruinieren sich ihre Renditen mit prozyklischem Käufen und Verkäufen. Viele Aktienanleger, indem sie zu lange an Verliereraktien festhalten und eher auf der Suche nach dem Ver100facher als langfristig acht Prozent pro Jahr sind. Motto: wenn ich schon nur ein kleines Vermögen zum Anlegen haben und das Geld nicht brauche, hätte ich auch gerne die Chance auf ein sehr großes Vermögen.

Dummerweise wird das Risiko, an eine Verliereraktie zu geraten, langfristig vermutlich eher unter- als überschätzt durch Anleger. Ich finde dies einen sehr wichtigen Aspekt, den sich Investoren vor Augen führen sollten, wenn sie sich für Einzelaktien entscheiden.

Hintergrund: die uns bekannten attraktiven Renditen einer Aktienanlage werden nur durch sehr wenige Aktien „getragen“. Vereinfacht gesprochen gilt das Pareto-Prinzip auch am Aktienmarkt: 20% der Aktien erwirtschaften 80% der Rendite. Oder nochmals anders formuliert: 80% der Aktien erwirtschaften langfristig überhaupt keine Rendite, wie hier sehr schön vorgerechnet wird. Ich habe diese Ergebnisse auch grob für Deutschland replizieren können.

Kürzlich habe ich dazu eine kleine Berechnung angestellt. Anlass war eine auf Twitter enstandende Debatte um die „Nifty Fifty“: dabei handelt es sich um eine Gruppe von rund 50 Aktien, denen man in den frühen 70er Jahren extrem hohe Bewertungen vom 50 bis 100fachen ihrer laufenden Gewinne (also KGVs von 50 bis 100) zubilligten, dem drei- bis fünffachen also heutiger KGVs großer Indizes. Man glaubte schlicht, dass sie über sehr viele Jahre wachsen würden und somit „jeder“ Preis gerechtfertigt wäre. Und das bei Nominalzinsen von 6 bis 8 Prozent auf US-Staatsanleihen!

Viele alte Hasen fühlen sich angesichts der fulminanten Kursrally von Amazon, Apple, Netflix, Facebook, Google und Co. an die Ära der „Nifty Fifty“ erinnert: man traut den Konzernen zu, sehr lange zu wachsen und viele Geschäftsbereiche zu erobern (beziehungsweise erst zu zertrümmern und dann zu erobern), so dass auch deutlich höhere Bewertungen gerechtfertigt seien. Auch „Dividendenaristokraten“ haben bisweilen den Ruf, man könne sie kaufen und ewig halten (so argumentieren wir etwa bei „Capital“, wenn der Preis stimmt.)

Nun argumentiert der Pessimist andersherum: das ging ja schon einmal gründlich schief in den 70ern mit den Nifty Fifty. Oder auch den Tech-Riesen im Jahr 2000. Wir erinnern uns: AOL, Intershop, Nortel waren da mal die immer kaufbaren „Internet-Qualitätswerte“.

Das – es ging gründlich schief – ist aber nur die halbe Wahrheit. Ja, in der Baisse ab Ende 1973 stürzten die viel zu teuren „Nifty Fifty“ dramatisch ab. Lustigerweise – und auf diesen Effekt wies der Finanzfoscher Jeremy Siegel bereits in den 90er Jahren hin – liefen die „Nifty Fifty“-Aktien langfristig allerdings sehr ordentlich. Selbst wenn man sie auf dem Höhepunkt der Nifty-Fifty-Euphorie gekauft hätte!

Ich habe aus Anlass der Debatte noch mal nachgerechnet, wie der aktuelle Stand ist. Dabei bediente ich mich dieser Liste der Nifty Fifty hier (die genauen „Mitglieder“ wurden nie näher definiert). Ergebnis: Mit dem Kauf des marktbreiten S&P 500 auf dem Höhepunkt der Euphorie zum Jahreswechsel 1972/1973 wären pro Jahr 10,2% drin gewesen, mit einem gleichgewichteten, konstant gehaltenen Korb der „Nifty Fifty“ 11,2% pro Jahr. Jeweils inklusive Dividenden.

Dabei habe ich die acht Titel, deren Schicksal ich nicht nachverfolgen konnte, als Totalverlust gewertet, diese Rendite ist also konservativ geschätzt.

Wie kann das sein? Zumal die Hälfte der Aktien nicht einmal die Renditen von Anleihen geschafft haben? (Lassen wir hier mal das Thema Gleichgewichtung außen vor, es hat vermutlich auch zum Ergebnis beigetragen)

Wie so oft haben einige wenige Titel  dramatische Kursgewinne verzeichnet. Inklusive wiederangelegter Dividenden hat sich Altria (kein Druckfehler) ver1541facht und WalMart ver1617facht. Pfizer, Bristol Myers, Pepsico, Johnson & Johnson brachten es immerhin auf eine mehr als Ver100fachung. Das genügt, um die vielen „Megaflops“ mehr als wettzumachen. Und das, obwohl wir hier einen Kauf auf dem Höhepunkt der Euphorie unterstellen.

Was kann man daraus lernen?

  • Apple, Amazon und Co. mögen stark gestiegen und längst nicht billig sein. Das heißt aber nicht, dass sie auf Sicht von 20 und mehr Jahren nicht dennoch besser abschneiden können als der Gesamtmarkt. Selbst wenn sie demnächst mal 50 Prozent oder gar mehr einbrechen. Es gibt gewichtige Gründe (Globalisierung, Fusionen & Übernahmen durch Niedrigzinsen, abnehmende Bedeutung von Arbeitskraft, sinkende Lohnquoten, größere „Hebel“ auf kleinere Produktivitätsvorteile), dass wir vor einer Ära der „Supercompanies“ stehen könnten. Guter Economist-Artikel zu diesem Thema hier. Eine sehr interessante Studie mit der Prognose des weiteren Aufstiegs von „Superstarfirmen“ hier. 
  • Unterschätzen Sie nicht das Risiko, mit Einzelaktien an „Verlierer“ zu geraten. Die Wahrscheinlichkeit ist erheblich größer, dass die von Ihnen gewählten Einzelaktien langfristig schlechter abschneiden als der Index, aus dem sie stammen, als besser. Denn nur einige wenige Werte „tragen“ die Performance. Sind Sie schlau genug, sie zu finden?
  • Die Chance, dass Sie die nächste Amazon „früh“ erwischen, ist so klein, dass Sie Ihre Renditeerwartung besser nicht daran ausrichten. (Zumal nur die wenigsten die Nerven haben, an Siegeraktien langfristig festzuhalten.)
  • Halten Sie sich bei Einzelaktienkäufen lieber an große Unternehmen mit hoher Dividendenkontinuität und starker Marktstellung, selbst wenn diese nicht „billig“ wirken (Eigenwerbung: wir haben uns in der aktuellen Capital ein paar „Aktien für’s Leben angesehen). Jeremy Siegel selbst argumentiert, dass es die Dividenden waren, die langfristig den Unterschied bei den „Nifty Fifty“ machten.
  • Ein ETF auf einen Index ist langfristig aussichtsreicher als die Einzeltiteljagd, macht aber natürlich auch weniger Spaß…..
  • ….weshalb Sie als Kompromiss und Überzeugungstäter durchaus beides tun können, wenn die Mittel ausreichen: lassen Sie diversifizierte Fonds (idealerweise ETFs) das Fundament ihrer langfristigen Wertpapieranlage sein. Lassen Sie sich aber auch den Spaß an Einzelaktien nicht nehmen, wenn Sie das mögen und einigermaßen diszipliniert sind (in dem Sinne, dass Sie bei Gewinnern nicht zu rasch die Nerven verliern und bei Verlierern auch mal die Reißleine ziehen)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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4 Kommentare
  1. Wirklich schön zusammengefasst, warum das Schlagen der Benchmark mit Einzelaktien so auf Dauer so schwierig ist.

    Für mich persönlich kommt noch hinzu: In der Vergangenheit fiel es mir besonders schwer, in die teuren, weil bereits gut gelaufenen Unternehmen zu investieren. Der Privatanleger mit schmalem Budget neigt dazu, mit der Hoffnung auf ein Schnäppchen oder einen Turn-Around, Unternehmen mit Problemen zu kaufen. Die wirklichen Erfolge finden dann ohne einen statt.

    Seit ich ETFs kaufe, „überliste“ ich mich quasi. Mit dem MSCI World kaufe ich eben auch ein bisschen Apple… und Google… und Amazon.

  2. Tom permalink

    „80% der Aktien erwirtschaften langfristig überhaupt keine Rendite“

    Die meisten Firmen gehen im Laufe eines Lebens pleite. Das ist für die meisten keine besondere Überraschung. In der Rechnung wurden die Dividenden direkt wieder in die gleiche Firma investiert. Das machen glaube ich die wenigsten. Hätte man vor einigen Jahrzehnten eine Hand voll Aktien gekauft und die Dividenden genutzt um wieder andere Aktien zu kaufen, käme hier ein anderes Ergebnis heraus.

    Nur sehr wenige Aktionäre kaufen zum Beispiel Volkswagen und investieren alle Dividenden direkt wieder in Volkswagen. Denn wenn ich jetzt Volkswagen kaufe, ist es mir nicht so wichtig ob die Firma in 30 Jahren noch existiert. Ich hoffe jedoch dass sie im Laufe der nächsten Jahre genug abwirft um meine einmalige Investition von heute rentabel zu machen.

    Wer vor einem Jahr Uniper, den Kohlekraftwerksbreiber, gekauft hat, geht wohl sogar davon aus, dass es die Firma bald nicht mehr gibt. Deshalb ist es noch lange keine schlechte Aktie. Sie muss nur einige Jahre genug Dividende ausschütten. Dann ist es plötzlich eine gute Aktie.

    • Ja, da haben Sie einen wichtigen Punkt angesprochen. In der Renditebetrachtung von Aktien und Indizes wird meist die volle Wiederanlage der Dividenden unterstellt und bleiben Steuern außen vor. Das ist gerade bei Einzelwerten natürlich praxisfern. Und tatsächlich kann man einem Anleger die Bardividenden auch niemand mehr nehmen, die eine spätere Pleitefirma mal gezahlt hat.

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