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Hiiilfe, ich habe Amazon, Google, Facebook und Apple verpasst – was tun?

15. Februar 2018

Das typische Argument für einen breit streuenden ETF auf einen Index wie etwa den MSCI World lautet ja: der wird laufend angepasst, ist zukunftssicher und für die langfristige Geldanlage geeignet. Das Argument stimmt im Prinzip. Auch auf die Gefahr mich zu wiederholen: Die Kehrseite dieser tollen inhärenten Anpassung ist, dass Anleger stark prozyklisch investieren. Nämlich in die Aktien, die gerade en vogue sind. Das ist langfristig keine besonders kluge Strategie. Rechnen wir mal nach, was denn die „Anpassung“ etwa im MSCI World gebracht hat in den letzten 20 Jahren. Beim Blättern durch das aktuelle Heft der „Finanztest“ fiel mir eine Grafik ins Auge. Die geschätzten Kollegen zeigten darin, dass die fünf größten Werte der Welt im Weltaktienindex MSCI World heute ganz andere sind als vor 10 oder 20 Jahren. 1997 waren General Electric, Coca-Cola, Microsoft, Exxon und Merck & Co. die größten Werte. 2007 waren es Exxon, General Electric, Microsoft, AT&T, BP. Heute sind es Apple, Google, Microsoft, Amazon, Facebook.

(Quelle: Finanztest – ein empfehlenswertes Magazin, das Sie – genauso wie Capital – abonnieren sollten ;-))

Der naheliegende Schluss: Passen Sie auf mit den Einzelwerten. Hingegen schwimmen ETFs auf Indizes wie den MSCI World im Strom der Kapitalmärkte und sind prima für den Vermögensaufbau geeignet.

Das klingt plausibel. Denn der Aufstieg der heutigen Börsengiganten wie Apple, Google und Amazon ging mit ver15- bis ver36fachungen vor allem in den letzten zehn Jahren über die Bühne. Wer sich 1997 oder 2007 ein paar Einzelwerte zusammen gekauft hat, an dem gingen die Kursexplosionen der Tech-Riesen vorbei.

Mit dem MSCI World aber, dem bekanntesten globalen Index, war man „dabei“, begleitete den Aufstieg der Tech-Riesen mit immer höheren Gewichtungen bis heute – während die meisten der einstigen großen Werte aus der Spitzengruppe verschwanden: AT&T, BP sind nicht mal mehr in den Top 50, GE und Exxon heute auf Rang 37 und 39. (Langfristig schneiden die größten Werte eines Index meistens später unterdurchschnittlich ab. Hier eine Studie dazu.)

Ich kann der Haltung etwas abgewinnen, dass ein Index wie der MSCI World eine gute Langfristanlage ist. Aber ein skeptischer Mensch wie ich rechnet gerne mal nach. Als ich nämlich vor einigen Jahren die Lobpreisungen auf den Dax satt hatte, rechnete ich mal nach, wie sich denn ein Depot entwickelte hätte, wenn man die ersten 30 Werte des Dax 1987 anteilig gekauft und liegen gelassen und alle Indexanpassungen ignoriert hätte. Ergebnis: Dieses nie veränderte Schlaftablettendepot lief besser als der ständig angepasste und neu gewichtete Dax. Was als Feature verkauft wird, ist ein kleiner Renditebug. Mit dem S&P 500 aus den späten 50ern ist der Fall genauso (Credit für diese Erkenntnis an Jeremy Siegel).

Ich habe spaßeshalber auch mal mit den in der Finanztest illustrativ angegeben Werten nachgerechnet. Die Grafik ist eigentlich eindeutig: Die größten Werte von 2007 sind – Ausnahme Microsoft – relativ gesehen in ihrer Bedeutung gesunken. Und die Überflieger hat man verpasst, wenn man beispielsweise 2007 stumpf die fünf größten Werte gekauft hätte.

Also rechnen wir: Hätte man im Jahr 2007 10.000 US-Dollar anteilig in Exxon, General Electric, Microsoft, AT&T und BP gesteckt (5×2000 Dollar) und Dividenden brav reinvestiert, schlitterte man erst mal in die Finanzkrise, sah einige Werte in der Versenkung verschwinden (AT&T) oder ihre Ölplattformen im Golf von Mexiko (BP) oder überhaupt einen ganzen Konzern in Problemen (GE). Nebenbei hätte man, tischkantenbeißend, den Aufstieg von Google, Facebook, Apple und Co gesehen, während man selbst (gefühlt) wieder nur die Krücken im Depot hat.

Depotstand heute wären: 18.908 Dollar.

Und der MSCI World? Mit dem hätte man, einschließlich Dividenden, im gleichen Zeitraum aus 10.000 US-Dollar 18.965 US-Dollar gemacht.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Okay, natürlich ist ein Portfolio aus nur fünf Werten konzentriert. Aber dennoch lief der laufend angepasste MSCI World schlappe 0,5 Prozent besser. Die Differenz hätten Gebühren mehr als aufgefressen.

Blicken wir auf die fünf größten Werte von 1997 und machen das gleiche Spiel: je 2.000 Dollar anteilig für GE, Coca-Cola, Microsoft, Exxon, Merch&Co. Macht bis heute: 36.300 US-Dollar. Ein schönes Sümmchen. Aber auch da „flogen“ natürlich die ganzen tollen Tech-Werte an einem vorbei oder waren noch gar nicht gegründet.

Dumm nur, dass mit dem MSCI World im gleichen Zeitraum nur 35.500 US-Dollar heraus gekommen wären. Selbst im Vergleich zum S&P 500 liefen die alten Top-Werte ordentlich, der S&P 500 lediglich aus US-Aktien legte etwas stärker zu auf 40.100 US-Dollar.

Diese Blitz-Stichprobe, alleine inspiriert durch die Grafik, hat natürlich keine Allgemeingültigkeit. US-Aktien hatten einen Riesenlauf, so dass ein konzentriertes. US-Portfolio gegen einen Index mit, je nach Betrachtungszeitpunkt, 40-60% Aktien anderer Länder 1997-2018 automatisch stark aussieht.

Es zeigt aber doch, dass die laufende Anpassung von Indizes – siehe die Langfriststudien zu den „Ur-Indizes“ – nicht zwingend vorteilhaft sein muss, sondern das Geld der Investoren prozyklisch anlegt.

Was möchte ich Ihnen damit überhaupt sagen?

Natürlich sind ETFs auf globale Aktienindizes ein prima Instrument zum Vermögensaufbau. Wenn Sie aber „Fan“ von Investitionen in Einzelaktien sind – und das sind viele, gerade weil ihnen die Beschäftigung damit Vergnügen bereitet und ihre Identifikation höher ist – dann lassen Sie sich nicht verunsichern, Sie seien ein Narr, nur weil sie Einzelaktien haben und Indizes seien da ja so viel besser. Grämen Sie sich auch nicht, wenn sie damit die großen „Aufsteiger“ verpasst haben. Auch ein globaler Index ist nicht notwendigerweise diversifiziert, aktuell kaufen Sie etwa mit dem MSCI World mit 60% ihres Geldes US-Aktien).

Ein paar wichtigte Grundregeln sollten Sie natürlich dennoch beachten:

  • Ihre Chancen, den Index zu _schlagen_, sind nicht gerade hoch, denn:
  • …es gilt am Aktienmarkt das Pareto-Prinzip: Gerade einmal rund 20% der Aktien bringen langfristig 80% der Gesamtrendite am Markt ein. Und:
  • Die Mehrzahl der Aktien, die es je auf dem Kurszettel gab, hat eine „Lebensrendite“ ab Emission bis heute von null oder weniger. Das gilt vor allem für kleine und mittelgroße Werte. Sie haben also, wenn Sie auf Einzelaktien setzen, durchaus das Risiko, an Flops zu geraten – ein viel größeres naheliegendesweise als mit einem Index, der breit streut. Halten Sie sich an „große“ Werte, minimieren Sie Ihr Risiko.
  • Sie müssen, wenn Sie mit Indizes Schritt halten wollen mit Einzelwerten, den Vorteil der Eizelaktienanlage ausreizen, nämlich, dass Sie keiner „Kappung“ unterliegen wie die Aktie in einem Index. Das heißt: Gewinner konsequent laufen lassen! Im hier genannten Beispiel war Microsoft ein starker Renditebringer, der sich binnen zehn Jahren fast vervierfacht und binnen 20 Jahren fast verachtfacht hat. Das hat die anderen Flops ausgeglichen. Auch hier gilt das Pareto-Prinzip: Sie sollten, wenn Sie denn eine der 20% der Aktien erwischen, die den ganzen Markt treiben, diese nie leichtfertig aus der Hand geben.

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13 Kommentare
  1. Moin Herr Kirchner,

    „Sie sollten, wenn Sie denn eine der 20% der Aktien erwischen, die den ganzen Markt treiben, diese nie leichtfertig aus der Hand geben.“

    An Gewinnmitnahmen ist noch keiner gestorben! 😉 Man muss die Gewinne ja auch mal realsieren… so lauten doch die diversen Sprüche.

    Das was Sie schreiben ist richtig. Aber wenn ich mir meine Leser-Mails so ansehe, dann denke ich mir: Kauft ’nen ETF und lasst es gut sein.
    Es gibt mit Sicherheit einige harte und emotional gefestigte Krieger, die das gut hinkriegen mit den Einzelaktien. Die meisten sind aber keine St. Georgs und unterliegen im Kampf mit den Psycho-Drachen.
    Das ist zumindest das Fazit, dass ich aus den Leser-Mails der letzten 4 Jahre ziehe.

    Beste Grüße
    Finanzwesir

    • Ja, ich halte das ja auch für die ratsame und langfristig überlegene Strategie. Bitte da keine Missverständnisse. Aber wie viele der Kaufen/Besparen/Liegenlassen-ETFler dann auch nach dem nächsten 50-Prozent-Rutsch oder nach drei, vier, fünf bleiernen Börsenjahren bei der Stange bleiben, müssen wir dann auch mal sehen – das Thema hatten wir ja auch schon oft.

  2. Joerg permalink

    Hallo Christian,
    die Analyse ist zwar korrekt, geht aber an der Anleger-Realitaet vorbei:
    – ETF-Anleger/Sparer akkumulieren idR Kapital ueber lange Zeitraeume mit Sparplaenen (woechentlich bis quartalsweise)
    – dadurch ist die Rendite stets hoeher als Punkt-zu-Punkt Betrachtungen, weil konsequent nicht nur die eingebauten Momentums-Effekte im Index sondern autopilotisiert die Wahrnehmung von Kaufchancen in Dips/Crashs genutzt werden
    – wenn du also die Vergleiche mit Sparplaenen auf die 5 Aktien mit Sparplaenen auf den Index wdh wuerdest (irgendwas zwischen woechentlich bis quartalsweise), waere der deutliche Vorsprung vom Index-Sparen offensichtlich!
    – Kosten: Besonders wenn du auch die Kaufkosten fuer solche periodischen Sparplan-Vergleiche (der Vergangenheit) einfliessen lassen wuerdest!
    Bei kleinen Summen war das Indexsparen viel frueher kosten-guenstig als das Aktiensparen (und das muss auch so in Zukunft bleiben/sich ausweiten; Skaleneffekte!)
    Fazit: Wir brauchen euch Einzel-Aktien-Anleger zwar, damit unsere Index-Trittbrettfahrer-Investition aufgeht (Index-Hygiene). Aber uns einholen/gleichziehen wird schwer …
    Try Hard!

    • Danke für die Anmerkung! Verzeihung, aber da sind gleich eine ganze Reihe von Thesen drin, die ich nicht nachvollziehen kann.

      > die Analyse ist zwar korrekt, geht aber an der Anleger-Realitaet vorbei:

      Komisch. Mein Eindruck ist, dass das „Ich kaufe/bespare einen ETF“ zwar klug und ratsam ist. Aber eher die Ausnahme und die „typische“ Anlegerrealität eine andere ist: Einzelaktien, Performancechasing, ein buntes Portfolio aus Einzelaktien/Fonds.

      – ETF-Anleger/Sparer akkumulieren idR Kapital ueber lange Zeitraeume mit Sparplaenen (woechentlich bis quartalsweise)

      Wie kommst Du zu der These? Extra-Funds gibt an, dass wir in Deutschland 14,8 Mrd. Euro in ETFs liegen haben bei den Direktbanken. Damit wird die „Anleger-Realität“ schon mal etwas gerade gerückt, denn die ist – gut für kluge ETF-Halter – dass ETFs (noch) ein Nischenprodukt sind. Bei 588.000 ETF-Sparplänen und 151 Euro Durchschnittsrate kommen imposante 90 Mio. € zusammen über eine typische „Rate“ (ich würde vermuten: monatlich). Aber dass ETF-Anleger „in der Regel“ ihr Geld über lange Zeiträume akkumulieren lese ich da nicht heraus. Die Sparpläne dürften auch da nur einen kleinen, vermutlich gleichwohl wachsenden Markt darstellen.

      – dadurch ist die Rendite stets hoeher als Punkt-zu-Punkt Betrachtungen, weil konsequent nicht nur die eingebauten Momentums-Effekte im Index sondern autopilotisiert die Wahrnehmung von Kaufchancen in Dips/Crashs genutzt werden

      Nein. Das hieße ja, dass Sparpläne bzw. der ihnen zugrunde liegende Cost-Average-Effekt die Rendite „treibt“. Dem ist aber nicht so. Der glättet nur die Rendite. Die ist nicht „höher als in Punkt-zu-Punkt-Betrachtungen“.

      – wenn du also die Vergleiche mit Sparplaenen auf die 5 Aktien mit Sparplaenen auf den Index wdh wuerdest (irgendwas zwischen woechentlich bis quartalsweise), waere der deutliche Vorsprung vom Index-Sparen offensichtlich!

      Warum?

      – Kosten: Besonders wenn du auch die Kaufkosten fuer solche periodischen Sparplan-Vergleiche (der Vergangenheit) einfliessen lassen wuerdest!

      Ich bin wirklich kein Advokat für Einzelaktien und Performancechasing, aber ich kenne nichts günstigeres als das Kaufen & Liegen lassen von Aktien. Das ist sogar noch günstiger als ETFs, gleichwohl man natürlich keine automatische Wiederanlage der Dividenden wie bei Thesaurierern hat, die langfristig für den Vermögensaufbau wichtig sind

      – Bei kleinen Summen war das Indexsparen viel frueher kosten-guenstig als das Aktiensparen (und das muss auch so in Zukunft bleiben/sich ausweiten; Skaleneffekte!)

      Ja, richtig, aber nochmals: ich komme ja auch nicht von der Idee, besser „Aktiensparen“ zu bestreiben, sondern schlicht von der Tatsache – ob man sie nun gut findet oder nicht – dass mehr Menschen in Einzelaktien anlegen, als brav & ratsam einen ETF zu kaufen und zu halten. Und ich wollte in DIESEM aktuellen Kontext der Einzelaktien = doof, Index = klug, angepasst eben noch mal herausstellen, dass ein „Index“ nicht soo überlegen ist.

      – Fazit: Wir brauchen euch Einzel-Aktien-Anleger zwar, damit unsere Index-Trittbrettfahrer-Investition aufgeht (Index-Hygiene). Aber uns einholen/gleichziehen wird schwer …Try Hard!

      Ich lese das, als sei ich ein Einzelaktien-Anleger, der hier ein Plädoyer für Stockpicking gehalten habe. Liegt mir fern.

      Viele Grüße!

      • Joerg permalink

        Hahaha, typischer Filterblasen-Effekt meinerseits (verinnerlichte Erkenntnisse, kommen mir schon so alt und allgemeingueltig vor, dass ich es schon als neue Realitaet sah :-D)
        Zuviel FilterblasenBlogLeserei!
        Danke fuer die Nachhilfe!
        Und seufz, ich bin immer noch ein einsamer Investment-Wolf in einer kleinen Minderheit, schluchz.

        zur Renditeglaettung von Sparplaenen: ich meinte, weil Sparplaene stoisch durchlaufen (sollten) ist die Anzahl der Kaufzeitpunkte ggfls hoeher und das koennte in Baisse-Phasen dazu fuehren, dass die Performance-„Glaettung“ besser funktioniert, als mit wenigen (alternierenden) Stock-Picking-Kaeufen.
        Also konkret: angenommen es herrscht ein Rebalancierungs-Wunsch zwischen den 5 Aktien (machen das viele Aktienanleger so? – du siehst ich werde schon ganz vorsichtig), dann wuerde man in obigem Bsp zB 1x im Viertel/Halben Jahr (ok, kommt auf die Summen an, die man sich fuer kostenguenstige Kaeufe leisten kann, aber Otto-Normalo kauft wohl meist ab 1000-2000 EUR/Kauf) den Depot-Nachzuegler nach?
        Dann war der Investment-Pfad bei deinen Fuenfen so, dass die Mehrheit der Aktien in einem Abwaertstrend/Seitwaertstrend bis heute waren, deshalb sollte dann die Gesamt-Performance gegenueber einem Index (der bis heute gestiegen war) geringer sein, oder?
        Also ganz konkret: Zeitraum 2007-2017 20.000 US-Dollar per halbjaehrlichem Sparplan anteilig in Exxon, General Electric, Microsoft, AT&T und BP gesteckt (20×1000 Dollar/2~10Jahre 10k) jeweils Nachkauf im schwaechsten Wert und Dividenden brav reinvestiert -> da kommt weniger raus, weil weniger Kaeufe als bei Indexsparplan und weil durch die Rebalancierung mehr Geld in die lame ducks mit unguenstiger Wertentwicklung geflossen waere …

        Die Wirklichkeit des Einzelaktienanlegers (war ich ja auch mal) man sammelt eher neue Hoffnungstraeger ein (die ab jetzt alles rausreissen) und kauft nur „voellig zu unrecht unterbewertete“ Rohdiamanten hinzu 😀 (Gutes Geld, schlechtem Geld hinterher …)
        Also im obigen Bsp haette 0815-Anleger Microsoft wohl stehen lassen und neue zugekauft, oder nur die anderen aufgestockt … ?

      • Hm, ich glaube, dass das seeehr hypothetisch ist, dass ein Anleger mit Einzelaktien „strategisch“ vorgeht, indem er rebalanced, einzelne nachkauft. Sobald er auf dem Niveau angekommen ist, sich überhaupt über solche Dinge wie Glättung und Rebalancing Gedanken zu machen, wird er vermutlich auch flott (und zu Recht) bei ETFs landen. Zumal das ja auch kostentechnisch schwierig wird, bei Einzelaktien zu strecken/sparen/nachkaufen.

        Ich komme da auch eigentlich auch von der „Gegenrichtung“, alson der Überlegung, dass man eben nicht rebalanced, sondern auch starke Aktien laufen lässt. Und überhaupt vom Umstand, dass man sich für ein Buy&Hold großer Aktien nicht übel fühlen muss.

        Mein Lieblingsbeispiel in diesem Kontext sind die „Nifty Fifty“ in den USA, also jene mit KGVs 50-100 gehandelten US-Multinationals aus den frühen 70ern. Die waren natürlich komplett überteuert. Wer sie aber auf dem Höhepunkt des Wahnsinns gleichgewichtet gekauft und gehalten hat, nie angepasst, hat Stand Mai 2017 – da rechnete ich das nach – den S&P 500 um einen knappen Prozentpunkt geschlagen (11,1 vs. 10,2% p.a. TR). In dieser Berechnung habe ich die acht der 50 Werte, die ich nicht nachvollziehen konnte wg Fusionen/Übernahmen, als Totalverluste verbucht. Der tats. Renditevorsprung muss also noch größer sein, trotz katastrophalem Timing und der Tatsache, dass man alle (bitte vergegenwärtigen – alle!!) „Aufsteiger“ in den S&P 500 verpasst hat, also die Googles, Microsofts, Apples, Facebooks.

        Die vielen Flops des Nifts-Fifty-Portfolios – 33/50 blieben hinterm Markt – wurden aber von den Überfliegern mehr als kompensiert. 7 haben sich mehr als ver100facht (TR), und gerade mal drei Werte – Wal Mart, Altria und Pepsico – stehen für 65% aller Gesamtgewinne mit dem alten, gleichgewichteten Nifty-Fifty-Portfolio.

        Jetzt ist es natürlich genauso akademisch anzunehmen, dass jemand die Nerven hat, diese Raketen zu kaufen und zu halten, wenn das Portfolio so eine Schlagseite bekommt. Mir geht es nur um die „Hirnübung“.

    • Ich betreibe Buy and Hold mit Aktien. In investiere jeden Monat meine 2000 € in ausgewählte Aktien. Ich versuche, Verkäufe zu vermeiden. Der letzte war im April 2016. Und da habe ich eine Gurke verkauft, keinen Highfligher. Es heißt ja immer, der Fehler vieler Anleger sei, dass sie zu lange an Verliereraktien festhalten und die Gewinneraktien zu schnell abstoßen, um den Gewinn zu realisieren.

      Ich führe eine Statistik über meine Investorentätigkeit. Ich habe bislang etwas mehr als 1200 € an Gebühren bezahlt, verteilt auf 9 Jahre. Würde ich jetzt mit dem Aktiensparen aufhören, würden keine weiteren Gebühren mehr anfallen. Hätte ich mein Vermögen stattdessen in ETFs, dann würde ich bei 0,1 % Gebühren, was als kostengünstig gilt, immer noch 235 € pro Jahr zahlen. Mit steigender Tendenz.

      Ich erhoffe mir dadurch einen Vorteil auf meiner Seite. Ich brauche nicht die beste Annäherung an den Durchschnitt, sondern eine halbwegs gute Annäherung reicht mir. Irgendwann hält man genug Titel und dürfte nicht weit entfernt vom Durchschnitt liegen.

      Zudem pflege ich eine Animosität gegenüber ETFs. Es sind derivate Finanzprodukte. Und haben wir Brief und Siegel, dass das emittierende Institut wirklich die Aktien vorhält bei einem replizierenden ETF? Mir ist das nicht ganz geheuer und ich habe deshalb lieber die echten Werte, die Aktien.

  3. Martin permalink

    Herr Kirchner, danke für den sehr guten Beitrag! Die beinahe shariah-artige Indexgläubigkeit mancher stört mich schon länger. Ja, natürlich. Eine passive Strategie ist besser als gar keine. Aber wirklich clever scheint mir eine langfrisitge Investition in einen Index mit KGV>20 mit höherer Gewichtung derjenigen Konzerne, die richtig groß geworden sind, auch nicht gerade (Stichworte: Agilität, Effizienz, Managervergütung…?). Auch die dahinter stehende Sicht, dass Aktien lediglich abstrakte Finanzinstrumente mit Volas, Drift etc. sind, behagt mir nicht. Es sind doch eigentlich Anteile an Unternehmen mit vielen kompetenten Mitarbeitern, die Wertschöpfung betreiben, Gewinne erzielen, an denen man teilhaben kann. Und ich würde wetten, dass eine sorgfältige (aus Sicht der Indexer natürlich zufällige) Auswahl an 25 Aktien aus dem MDAX den DAX in den nächsten 10 Jahren schlagen wird. Oder noch besser: eine solche Auswahl aus dem Stoxx-Mid200 gegen den Stoxx600… aber nur zu, kauft den Stoxx600. 🙂

    • Der HSV steigt endlich ab permalink

      Ich gehe davon aus, dass es eine Renaissance der aktiven Fonds geben wird, wenn es mal wieder eine größere Korrektur gibt. In der Realität fühlt sich der Verlust, den die neueren ETF-Anleger dann zum ersten mal am eigenen Leibe miterleben, etwas anders an.

    • Cash is King permalink

      Der Dax ist in meinen Augen das Paradebeispiel eines fehlkonstruierten Indizes. Folgende Positionen machen knapp die Hälfte des zyklischen Index aus:

      SIEMENS N AG 9,06%
      SAP 8,99%
      ALLIANZ 8,49%
      BAYER AG 8,03%
      BASF N 7,96%
      DAIMLER AG 7,02%

      Damit macht man bereits den Großteil der Bewegung mit.

  4. Winnie permalink

    Warum issn hier tote Hose im Blog? Gibts nix mehr zu sagen?

  5. Die verlinkte Studie des amerikanischen Professors Hendrik Bessembinder stützt Deine These vom Pareto – Prinzip der Börse: die Wertzuwächse von nur wenigen Überfliegeraktien (ca. 4% aller börsengehandelten amerikanischen Werte der letzten 90 Jahre bzw. 1.100 von 26.000 Aktien) ziehen den Gesamtmarkt längerfristig nach oben während man mit der überwältigenden Mehrheit aller Aktien auf lange Sicht nur niedere Renditen bzw. Verluste erzielt. Siehe auch die Aufstellung dieser Gewinerunternehmen am Ende der Studie.

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  1. Kleine Presseschau vom 16. Februar 2018 | marktEINBLICKE

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