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Zur Lage am Goldmarkt

17. April 2013

Gold ist die Vermögensklasse der Stunde – zumindest, was die flächendeckende Aufmerksamkeit der Medien angeht. In solchen trubeligen Tagen hilft es, sich noch einmal die ganz grundlegenden Aspekte zum Goldpreis in Erinnerung zu rufen.

Es gibt ja den netten Spruch, dass eine kaputte Uhr auch zweimal am Tag richtig geht. Auf mich trifft er definitiv zu – ich bin schon seit 2006/2007 und Preisen von etwa 600-700 Dollar je Unze eher pessimistisch für den Goldpreis gewesen und habe so manchen Optimisten innerlich belächelt.  Anschließend lief der Goldpreis dann bis auf über 1900 Dollar je Unze. An dieser Stelle muss ich auch mal ein Kompliment an Kollegen loswerden, die diesen Anstieg antizipiert und publizistisch über viele Jahre begleitet haben – zum Beispiel Ingo Narat vom „Handelsblatt“ oder Frank Doll von der „WirtschaftsWoche“. Die Leser werden es gewiss danken.

Nun habe ich noch immer keine Glaskugel. Ich wäre aber mit spekulativen Käufen (oder einem „Halten“ als spekulativer Anleger) in der Hoffnung auf eine „Gegenbewegung“ vorsichtig. Und das aus einigen, bereits genannten Gründen:

  • Fangen wir mal mit dem Argument an, das angeblich für steigende Goldpreise spricht – Notenbankkäufe. Bekanntlich sind Notenbanken insgesamt seit rund drei Jahren Nettokäufer von Gold und tragen so zum Preisanstieg bei. 2012 waren es netto gut 500 Tonnen. Zuvor waren sie jahrelang Nettoverkäufer. Mir erschließt sich nicht, was daran die gute Nachricht für den Goldpreis sein soll. Für mich ist das eher ein VERKAUFSargument, denn die Geschichte zeigt doch gerade, dass Notenbanken in Sachen Gold in den letzten 30 Jahren prozyklische Volltrottel waren. Wir erinnern uns: Den Startschuss für den Goldpreisanstieg ab der Jahrtausendwende gab das Washingtoner Goldabkommen – der Goldpreis taumelte immer tiefer, weil die Notenbanken permanent Gold auf den Markt warfen, obwohl der Preis knapp zwei Jahrzehnte lang gefallen war. So entschieden sich die größten Notenbanken dann 1999, ihre Verkäufe auf 2.000 Tonnen zu limitieren – der Goldpreis korrigierte aus und drehte 2001 nach oben. Vielleicht bin ich etwas naiv, aber sollte man sich über Co-Investoren freuen, die plötzlich bei 1500 Dollar je Unze und mehr zu kaufen beginnen, nachdem sie noch zu Preisen von 300 Dollar je Unze tonnenweise am verkaufen waren? Das klingt für mich nach der dümmstmöglichen prozyklischen Trottelstrategie durch die Notenbanken. Nicht nach einer ruhigen Hand.
  • Ich halte die zuletzt gesunkene Inflation – in den USA beträgt sie nur noch 1,5 Prozent, in der Eurozone 1,7 Prozent laut ganz frischen Daten von gestern – für den eigentlichen Auslöser des Absturzes. Schon über viele Monate hinweg war der Goldpreis eine Funktion der Realzinsen – also des realen Ertrags aus sicheren Staatsanleihen, der sich aus der Rendite minus der Inflation errechnet. Sanken die Realzinsen, stieg der Goldpreis und umgekehrt. Warum? Ganz einfach: Wenn es am Anleihenmarkt real nichts zu verdienen gibt, weil die Rendite der Staatsanleihen nicht einmal die Teuerung ausgleicht, kann ein Investor – egal ob Privatanleger, George Soros oder eine Notenbank – auch genauso gut Gold kaufen. Zumal, wenn es in einer Aufwärtsbewegung ist und inzwischen über neue Anlagevehikel wie Gold-Indexfonds nicht einmal mehr teure Lagerkosten entstehen. Dem Käufer entgehen ja keine Zinsen, stattdessen kann er/sie von Gold den Kapitalerhalt erwarten auf lange Sicht. Jetzt aber ist die Inflationsrate in den USA unter die Rendite der 10jährigen Staatsanleihen gerutscht, und von einer Inflation ist weit und breit nichts zu sehen. Zugleich hat eine große Notenbank klar gemacht (Japan), dass sie ebenfalls bereits ist, die Anleihenrenditen mit Gewalt niedrig zu halten. In diesem Umfeld verliert das (zinslose) Gold an Attraktivität, die der Staatsanleihen steigt wieder.
  • Beim Goldpreis wird derzeit nicht nach unten übertrieben, sondern wurde zuvor nach oben übertrieben, wie dieser Blogbeitrag wunderbar illustriert.
  • Es hat in den vergangenen 200+ Jahren erheblich dramatischere Ereignisse gegeben als die der letzten vier, fünf Jahre. Industrielle Revolutionen, einen US-Sezessionskrieg, Weltkriege, Hyperinflationen, Beinahe-Atomkriege, Weltwirtschaftskrisen. Auch unterschiedliche Gold-Regimes. Und doch gibt es eine verlässliche Konstante: Nämlich die, dass der Goldpreis langfristig verlässlich real um rund ein Prozent pro Jahr zulegt – mit zwischenzeitlichen starken Schwankungen. (Quelle: Jeremy Siegel mit Daten bis 1800 & Credit Suisse mit Daten immerhin bis 1900. Noch einmal in aller Deutlichkeit und gegen das Grundrauschen der „Dieses Mal ist es anders“-Bullen: Es gibt es eine verlässliche Konstante: Nämlich die, dass der Goldpreis langfristig verlässlich real um rund ein Prozent pro Jahr zulegt. Nun hat der Goldpreis sich indes nominal in den letzten zehn Jahren immer noch mehr als versechsfacht – auch nach der Korrektur. Selbst wenn man unterstellt, dass der jahrelange Bärenmarkt der 80er und 90er eine Übertreibung nach unten war, so ist der Goldpreis einer möglichen höheren Inflation weit, weit enteilt. Konkret: Der Goldpreis hat bereits einen Inflationsschub eingepreist, der in der Praxis erst mal folgen muss. Vor gut einem Monat hatte ich das für SPIEGEL ONLINE mal zu damaligen Preisen von rund 1600 Dollar ausgerechnet: „So beträgt der inflationsbereinigte Ertrag mit einer Goldanlage über die letzten 40 Jahre rund 3,5 Prozent pro Jahr, über die letzten 30 Jahre rund 1,5 Prozent pro Jahr, über die letzten 20 Jahre rund 6,0 Prozent und über die letzten zehn Jahre sogar 14 Prozent pro Jahr.“
  • Wo zieht man nun einen „Boden“ ein für den Goldpreis? Nimmt man alleine die Teuerungsrate als Maßstab, argumentiert etwa Dieter Wermuth im (tollen) ZEIT Herdentrieb-Blog, dass der Preis bei rund 530 Dollar je Unze liegen müsste. Nimmt man das global fluktuierende Geld als Maßstab (Gedankenexperiment: Alles Geld weltweit wird in Dollar getauscht und dann durch die Anzahl der vorhandenden Unzen Gold dividiert), liegt er bei etwa 1100 Dollar. Und nimmt man die Produktionskosten als Maßstab, werden die Schätzungen etwas wirr, kann man aber marktbreit von rund 1100 Dollar je Unze ausgehen – Tendenz stark steigend. Die Produktionskosten gelten mithin als „Untergrenze“ für den Preis, weil bei niedrigeren Preisen die Minen die Arbeit schlicht einstellen und das Angebot verknappen. Im speziellen Fall von Gold ist das Argument zumindest kurzfristig mit Vorsicht zu genießen und greift erst auf Sicht von 2-3 Jahren, da kurzfristig seit Jahren Investoren (privat/institutionell) den Preis bestimmen.
  • Die Krise 2008 hat gezeigt, dass neue Anlageinstrumente zwar den Kauf von Gold vereinfacht haben. Heute kann jeder Kleinanleger Anteile an einem Gold-Indexfonds kaufen, und für seine Anlagesumme wird physischen Gold gekauft (oder geliehen), das heißt, seine Transaktion beeinflusst den Markt, zugleich hat er aber auch keine Lagerkosten und zahlt nur sehr geringe Gebühren. Das heißt aber auch: Wenn es rappelt im Goldmarkt oder generell, wird Gold wie viele andere Vermögensklassen verkauft – und das geht erheblich leichter per Mausclick, während früher jemand an seinen Safe dackeln musste. So etwas beschleunigt Preisvolatilitäten zusätzlich.

Bei allem Grund zur Skepsis sollte indes nicht in Vergessenheit geraten, dass Gold real seine höchsten Erträge in Zeiten scharfer Deflation verzeichnet hat verglichen mit anderen Anlageklassen. Wer in seinem Leben noch nie Gold besaß, aber sein Vermögen ein wenig diversifizieren möchte, kann dies nun immerhin zu deutlich niedrigeren Kursen nachholen. Ich bleibe skeptisch.

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One Comment
  1. Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Ich beschäftige mich gerade auch intensiv mit dem Thema Gold! Gold wurde in so kurzer Zeit vom „beliebtesten“ zum meist „gehassten“ Investment. Immer wenn ich so etwas lese, reizt es mich noch mehr in solch Asset Klassen zu investieren. Der aktuelle Goldpreisrückgang ist charttechnisch gesund … ich befürchte sogar, dass ein bewusster Kursrückgang erfolgen musste / sollte / soll … Gold wurde im letzten Jahrzehnt einfach zu stark, beinahe kann man es als Gegenpol zum herkömmlichen Papiergeldsystem verstehen. Zur aktuellen Goldpreisentwicklung kommt der prophezeite Fed-Gelddruck-Ausstieg auch gelegen … bevor ich diese Ansage jedoch glaube, will / muss ich es erst sehen. Schlussendlich finde ich selbst, dass ein bewusster „geringer“ Prozentsatz an Edelmetallen, hier vor allem Gold, in keinem Depot fehlen sollte … sei dies auch nur als Absicherung gegen das Schlimmste – Gold muss man wie eine Versicherung sehen – man hofft ganz einfach, dass der Extremfall nicht eintritt – und wenn doch, kann man auf Gold / die Versicherung zurück greifen.

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